Datum: 02.11.1999

 Info Nr.: 056

Gutachten zu Finanzen und Verwaltungsstruktur

Schiefes Licht durch unseriöse

Vergleiche und veraltete Daten

Städte- und Gemeindebund bestürzt über Unsachlichkeiten in Exposé für Rechnungshof

Magdeburg.- Mit den Worten "unseriös" und "wenig Sachkenntnis" hat Sachsen-Anhalts Städte- und Gemeindebund das jetzt bekannt gewordene Gutachten der Unternehmensberatung KPMG zu den Kommunalfinanzen und der Verwaltungsstruktur kommentiert. "Es ist sehr bedauerlich, daß der Landesrechnungshof ein solches Gutachten in die Welt setzt, das wesentliche Grundlagen der bundesdeutschen Finanzverfassung außer Acht läßt", betonte Landesgeschäftsführer Dr. Bernd Kregel. "Bedenklich aber auch, daß eine renomierte Unternehmensberatungsgesellschaft sich auf für sie offensichtlich wenig bekannte Gebiete begibt, auf denen sie ihren Ruf nur beschädigen kann."

Daß die Verwaltungsstrukturen in Sachsen-Anhalt reformbedürftig sind, bestreitet indessen auch der Städte- und Gemeindebund nicht. "Wie so häufig aber wird nach den Motto ‚Haltet den Dieb‘ verfahren und auf ‚Die Anderen‘ verwiesen," kommentiert Kregel die Empfehlungen zur Kommunalen Gebietsreform. "Es ist Aufgabe des Landtages, darüber zu entscheiden, wie die Gemeinde- oder Kreisstrukturen in Sachsen-Anhalt aussehen sollen. Als Folge solcher Veränderungen können eventuelle Rationalisierungseffekte erzielt und Gelder eingespart werden. Man kann aber nicht Einsparungen fordern, noch ehe neue Strukturen geschaffen sind, wenn umgekehrt der Aufgabenbereich immer umfangreicher wird."

Im übrigen diskutiere man ein Phantom. Alle Änderungen der Verwaltungsstrukturen bedeuteten in erster Linien einen Abbau von Arbeitsplätzen. "Während wir einerseits in zahllosen Veranstaltungen der Landesregierung zu immer neuen Beiträgen der Kommunen zur Milderung der Arbeitslosigkeit gedrängt werden, zusätzliche Lehrstellen schaffen sollen, zusätzliche Mittel für AB-Maßnahmen bereit stellen sollen, hält man uns andererseits einen zu hohen Verwaltungskörper vor, beschuldigt uns zu hoher Sozialausgaben und zu vieler konsumtiver Kosten. Das paßt alles nicht zusammen! Das Gutachten stellt 24.000 Arbeitsplätze in den Kommunen in Frage!"

Fünf Punkte kritisiert der Städte- und Gemeindebund am Gutachten der Wirtschaftsprüfer:

    1. Vergleich von sieben willkürlich herausgegriffenen Bundesländern

      Die westdeutschen Bundesländer Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Niedersachsen mit den fünf ostdeutschen Bundesländern zu vergleichen, entbehrt jeder sachlichen Grundlage. Gerade die Durchschnittsbildung über die ehemalige deutsch-deutsche Grenze hinweg führt zu völlig schiefen Daten. Die besondere Finanzlage der ostdeutschen Bundesländern hat ja gerade zu einem besonderen System des Finanzausgleichs geführt, das eben bei den Ergänzungszuweisungen die nur gerade einmal 40 % erreichenden Steuereinnahmen der ostdeutschen Kommunen berücksichtigt. "Der Vergleich im Gutachten ist deshalb ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen," betonte Dr. Kregel.

    2. Die Datenbasis ist völlig veraltet

      Das mit Datum vom 20.10.1999 erstattete Gutachten basiert überwiegend auf Daten des Jahres 1996. Zwischenzeitlich haben sich die Zuweisungen teilweise massiv verändert. Beispiel: Kinderbetreuung. Das Land hat hier die Zuweisungen für die Kommunen bereits deutlich zurückgefahren. Zwei Mal ist außerdem in das Finanzausgleichsgesetz bereits eingegriffen worden, ein drittes Mal ist geplant. Das bedeutet insgesamt eine Kürzung der Kommunalfinanzen um 552 Millionen DM seit 1996. Die Haushaltsdaten der Kommunen haben sich nachhaltig verschlechtert.

    3. Erkenntnisse und Schlußfolgerungen widersprechen sich

      Daß Sachsen-Anhalts Kommunen einen überdurchschnittlichen Aufwand bei verschiedenen Aufgabenbereichen erfüllen müssen, wird nicht bestritten. Es ist auch richtig, daß gerade in freiwilligen Bereichen, wie Kultur, Sport, Kinderbetreuung, die Kommunen außerordentliche Anstrengungen unternehmen müssen, um die Vorhaltung öffentlicher Einrichtungen sicherzustellen. Frage ist nur, ob die Kommunen alleine in der Lage sind, die Situation zu ändern. So müssen beispielsweise die Kreisfreien Städte Theater vorhalten, die in westlichen Bundesländern in der Regel als "Staatstheater", aus den Landeshaushalten finanziert, sind. Schließlich sind die Standards, die das Land durch Gesetze, Verordnungen und Richtlinien vorgibt, überdurchschnittlich hoch - Beispiel: Kinderbetreuung!

    4. Zahlungen des Landes an die Kommunen werden falsch bewertet

      Die Gutachter gehen davon aus, eine Reduzierung der allgemeinen Zuweisungen um jährlich 1-2 Prozent sei "angesichts der verhältnismäßig hohen Zuweisungen im Verhältnis zu den Anteilen in den Vergleichsländern mehr als gerechtfertigt". Das trifft bereits seit 1996 jedenfalls nicht mehr zu. Vielmehr liegen die Zahlungen des Landes Sachsen-Anhalt an die Kommunen - im Vergleich mit den anderen neuen Bundesländern - seit 1996 unter dem Durchschnitt und seit 1998 an vorletzter Stelle. Das Gutachten geht von einer "Annahme einer Gleichverteilung der Aufgaben zwischen Land und Kommunen bei den sieben Vergleichsländern" aus. Das Ganze ist eine Behauptung, die jedoch durch das Gutachten nicht belegt wird.

    5. Die gewählten Szenarien entsprechen nicht der Wirklichkeit!

Das Gutachten verwertet Prognosen und Erwartungen, die so nicht eingetreten sind oder durch aktuelle politische Entscheidungen wesentlich verändert wurden. So wird das "Sparpaket" der Bundesregierung gar nicht berücksichtigt, obwohl für Sachsen-Anhalts Kommunen bereits rund 150 Millionen DM Zusatzkosten zu erwarten sind.

Fazit:

Die Optimierungsansätze der Gutachter, die in den ersten 30 Seiten des Gutachtens dargestellt werden, finden sich in den Empfehlungen an das Land nicht wieder. Vielmehr werden pauschale Finanzkürzungen empfohlen, die die Lage der Kommunen weiter verschlechtern und dem Land in seiner Entwicklung Schaden zufügen