Rettungswesen im Wandel – Bund und Länder gestalten die Notfallversorgung neu

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Das Rettungswesen in Deutschland steht vor umfassenden strukturellen Veränderungen. Angesichts steigender Einsatzzahlen, zunehmender Belastung der Notaufnahmen und wachsender Personalengpässe sind Reformen auf Bundes- wie Landesebene dringend notwendig. Ziel ist, die Effizienz zu erhöhen, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die Rettungsdienste für künftige Herausforderungen zu wappnen.

Bundesweite Reformbestrebungen

Der Bundesrat hat am 17.10.2025 beschlossen, die Bundesregierung aufzufordern, den Gesetzentwurf zur Reform der Notfall- und Rettungsdienstversorgung umgehend vorzulegen, damit das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft treten kann (BR-Drs. 484/25).

Begründet werden die Reformbestrebungen mit stark gestiegenen Einsatzzahlen, überlasteten Notaufnahmen und Fehlanreizen, die die Steuerung der Patientenströme erschweren und kommunale Träger finanziell belasten. Ziel der Reform ist es daher, das System der Notfallversorgung effizienter und flexibler zu gestalten. Die Notfallversorgung soll künftig stärker vernetzt und patientenorientiert gesteuert werden. Vorgesehen sind unter anderem:

  • eine bundesgesetzliche Regelung zu Fehlfahrten,
  • die Vergütung von Vor-Ort-Behandlungen und Transporten in ambulante Strukturen,
  • die Einbeziehung telemedizinischer Leistungen in den Rettungsdienst sowie
  • eine verbindliche Vernetzung zwischen der ärztlichen Bereitschaftsdienstnummer 116117 und den Rettungsleitstellen.

Aktuelle Entwicklung in Sachsen-Anhalt

Während sich die Notfallreform auf Bundesebene im Gesetzgebungsverfahren befindet, zeigt sich in den Ländern bereits Bewegung. Sachsen-Anhalt hat viele der bundesweit diskutierten Ansätze frühzeitig aufgegriffen und in konkrete Gesetzesvorhaben überführt.

Das Ministerium für Inneres und Sport Sachsen-Anhalt (MI) beabsichtigt, das Landesrettungsdienstgesetz zu novellieren. Der Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes (RettDG LSA) wurde am 21.10.2025 im Kabinett beschlossen und befindet sich nun im Anhörungsverfahren.

Zentrale Bestandteile der Novelle greifen Erkenntnisse des Landesgutachtens zur Optimierung der notärztlichen Versorgung auf, das gemeinsam mit den Kostenträgern erstellt wurde. Das Gutachten analysierte die aktuelle Einsatzlage, den Personalbedarf sowie Potenziale zur Effizienzsteigerung. Es zeigte unter anderem, dass Sachsen-Anhalt mit 42,2 Notarzteinsätzen pro 1.000 Einwohnern deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 26,4 liegt. Hauptursachen sind eine uneinheitliche Umsetzung von Standardarbeitsanweisungen (SAA) für Notfallsanitäter und ein zu breites Einsatzspektrum für Notärzte. Empfohlen wurden daher eine konsequente Nutzung der SAA, der Ausbau telemedizinischer Unterstützung und eine verbesserte Vernetzung der Leitstellen.

Viele dieser Empfehlungen finden sich im Gesetzentwurf des RettDG LSA wieder. Vorgesehen sind insbesondere:

  • die verpflichtende Einführung des Gemeindenotfallsanitäters, der bei nicht transportpflichtigen Einsätzen rettungsdienstliche Erstversorgung übernimmt und damit Rettungswagen entlastet,
  • die Einführung eines landesweiten Telenotarztsystems, das Notärzte digital zugeschaltet und so eine ortsunabhängige fachärztliche Unterstützung ermöglicht,
  • eine verbindliche Abstimmungspflicht zwischen benachbarten Landkreisen und kreisfreien Städten zur besseren Koordination,
  • die Möglichkeit zur Einbindung von Ersthelfer-Apps, die freiwillig eingeführt werden können, sowie
  • eine rechtssichere Regelung der Abrechnung auf Ist-Kosten-Basis in § 39 RettDG LSA, die künftig auch für Eigenbetriebe und Berufsfeuerwehren gilt.

Parallel dazu arbeitet das Land an der Rettungsdienst-Telematik-Verordnung (RD-TMAVO LSA). Diese schafft die Grundlage für ein landeseinheitliches digitales Telematiksystem, das den Datenaustausch zwischen Leitstellen, Rettungsdienstpersonal und weiteren Akteuren verbessert. Die Einführung soll bis zum 01.01.2027 abgeschlossen sein.

Anmerkung:

Aus kommunaler Sicht ist entscheidend, dass der Rettungsdienst weiterhin als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge in der Zuständigkeit der Kommunen verbleibt. Nur so kann durch Ortskenntnis, politische Verantwortlichkeit und Nähe zur Bevölkerung eine bedarfsgerechte Planung von Standorten, Einsatzmitteln und Hilfsfristen gewährleistet werden. Weiter bleibt die enge Verzahnung mit Feuerwehr, Katastrophenschutz, Leitstellen und Ehrenamt erhalten, was in Großschadenslagen und Krisen die Einsatzfähigkeit und Koordination deutlich stärkt. Zudem ermöglicht die kommunale Zuständigkeit inklusive Bereichsausnahme die verlässliche Finanzierung von Vorhaltekosten und Reservekapazitäten und verhindert Vergütungsanreize, die medizinisch sinnvolle Behandlung vor Ort zugunsten reiner Transportleistungen verzerren würden.

Sachsen-Anhalt nimmt mit der anstehenden Novelle des Rettungsdienstgesetzes die Einführung landesweiter digitaler, telemedizinischer und qualifikationsbasierter Strukturen vor. Zugleich zeigt sich, dass viele Herausforderungen – von der Personalnot bis zur Systemfinanzierung – bundesweit bestehen. Entscheidend wird sein, dass Landes- und Bundesreformen Hand in Hand gehen und die kommunale Verantwortung für das Rettungswesen gewahrt bleibt.

Die kreisfreien Städte Sachsen-Anhalts wurden durch den Städte- und Gemeindebund sowohl in das Anhörungsverfahren zum landesweiten RettDG LSA als auch zur RD-TMAVO LSA und ebenso bezüglich der bundesweiten Reformbestrebungen einbezogen.

03.12.2025