Rechtskreiswechsel für ukrainische Geflüchtete beschlossen
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Mit dem Leistungsrechtsanpassungsgesetz soll ein Teil der Geflüchteten aus der Ukraine wieder dem Asylbewerberleistungsgesetz unterstellt werden. Seit Juni 2022 erhalten ukrainische Schutzsuchende bei Hilfebedürftigkeit in der Regel Bürgergeld oder Sozialhilfe und werden überwiegend von den Jobcentern betreut. Künftig sollen Personen, die ab dem 01.04.2025 nach Deutschland neu einreisen und ihren Aufenthalt im Rahmen der EU-Massenzustromrichtlinie nach § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) absichern, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beziehen. Der am 19.11.2025 beschlossene Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht damit ausdrücklich vor, neu ankommende Personen aus der Ukraine mit anderen Gruppen von Geflüchteten gleichzustellen, die bereits heute im AsylbLG-System erfasst sind.
Stichtagsregelung und Übergang vom SGB II/SGB XII zum AsylbLG
Kern der Neuregelung ist eine Stichtagsregelung im Asylbewerberleistungsgesetz. Nach dem Entwurf sollen alle Personen, deren Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 AufenthG erstmals nach dem 31.03.2025 erteilt wird, sowie Personen mit erstmaliger Fiktionsbescheinigung nach diesem Datum künftig als Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG gelten. § 1 AsylbLG wird hierzu entsprechend angepasst. Für Bestandsfälle gilt Bestandsschutz: Wer bereits bis Ende März 2025 eine Aufenthaltserlaubnis oder Fiktionsbescheinigung erhalten hat, bleibt im Bürgergeld- bzw. Sozialhilfesystem. Für diejenigen, die nach dem 01.04.2025 eingereist sind und zunächst Leistungen nach SGB II oder SGB XII erhalten, sieht der Entwurf gleitende Übergänge vor. Der Wechsel in das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) soll spätestens mit Ablauf des bewilligten Leistungszeitraumes vollzogen werden, spätestens jedoch drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes. Damit sollen abrupte Leistungsunterbrechungen vermieden, gleichzeitig aber die neue Zuordnung zügig umgesetzt werden.
Arbeitsmarktintegration, Vermögensprüfung und Gesundheitsversorgung
Besondere Bedeutung kommt den arbeitsmarktbezogenen Regelungen zu. Erwerbsfähige, nicht erwerbstätige Geflüchtete aus der Ukraine sollen verpflichtet werden, sich nachweislich und unverzüglich um Arbeit zu bemühen. Wo Sprachdefizite eine zeitnahe Vermittlung verhindern, sollen verpflichtende Integrationskurse den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern. Bei ausbleibenden Eigenbemühungen sollen die zuständigen Behörden nach dem AsylbLG die Teilnahme an Arbeitsgelegenheiten anordnen können. Der unmittelbare Zugang zum Arbeitsmarkt für Inhaberinnen und Inhaber eines Aufenthaltstitels nach § 24 AufenthG soll gleichwohl erhalten bleiben.
Im Vergleich zum Bürgergeld sieht das Asylbewerberleistungsgesetz ein engeres Leistungsniveau vor. Nach Unterlagen aus dem parlamentarischen Verfahren für den Rechtskreiswechsel soll insbesondere das Schonvermögen für Leistungsberechtigte deutlich niedriger ausfallen und pro Person nur 200 Euro betragen. Zugleich wird der Anspruch auf Gesundheitsversorgung auf den typischen Leistungsumfang des AsylbLG zurückgeführt, der vor allem akute Erkrankungen und Schmerzzustände abdeckt. Darüberhinausgehende Treatments sollen nur im Ermessenswege möglich sein. Die Begründung des Gesetzentwurfs geht davon aus, dass die gesetzliche Krankenversicherung durch die Zuordnung der Betroffenen zum AsylbLG in nicht näher quantifizierbarer Höhe entlastet wird.
Lastenverschiebung zwischen Bund und Ländern/Kommunen
Die finanziellen Auswirkungen des Rechtskreiswechsels fallen asymmetrisch aus. Der Bund soll langfristig von geringeren Ausgaben im Bereich Bürgergeld und Sozialhilfe profitieren. Gleichzeitig werden im AsylbLG-Bereich für Länder und Kommunen erhebliche Mehrausgaben erwartet. Für das Jahr 2026 werden zusätzliche Kosten von rund 862 Mio. Euro für das Jahr 2027 von rund 394 Mio. Euro prognostiziert. Dem stehen Minderausgaben in der Hilfe zum Lebensunterhalt gegenüber, die mit rund 22 Mio. Euro (2026) und rund 12 Mio. Euro (2027) vergleichsweise gering ausfallen.
Begleitend zum Gesetzgebungsverfahren soll der Bund mit den Ländern eine pauschale Ausgleichsregelung für die zusätzlichen Belastungen vereinbaren. Einzelheiten zu Höhe, Verteilungsschlüssel und zeitlicher Verstetigung dieser Entlastung sind nach derzeitigem Stand noch Gegenstand weiterer Abstimmungen. Für die kommunale Ebene ist dabei entscheidend, ob die in der Finanzierungsvereinbarung angesetzten Beträge sowohl die direkten Leistungsausgaben als auch den erhöhten Verwaltungs- und Beratungsaufwand realistisch abbilden.
Anmerkung:
Aus kommunaler Sicht dürfte der Rechtskreiswechsel ambivalente Folgen haben. Einerseits soll der Bund durch die Verlagerung in das Asylbewerberleistungsgesetz finanziell entlastet werden; zugleich steigt der direkte Ausgaben- und Verwaltungsdruck in denjenigen Strukturen, die von Ländern und Kommunen getragen werden. Insbesondere die Ausländerbehörden und Leistungsstellen nach dem AsylbLG arbeiten vielerorts bereits heute am Limit. Zusätzliche Fallzahlen, komplexe Zuständigkeitswechsel und eine engmaschige Prüfung von Vermögen und Erwerbsbemühungen könnten dort zu weiterem Mehraufwand führen.
Hinzu kommt, dass die Rückkehr zu den niedrigeren Leistungsstandards des AsylbLG sowie die eingeschränktere Gesundheitsversorgung integrationspolitische Risiken birgt. Wenn Geflüchtete mit vorübergehendem Schutzstatus finanziell schlechter gestellt sind als andere Gruppen und notwendige medizinische Leistungen nur eingeschränkt finanziert werden, wächst erfahrungsgemäß der Bedarf an kommunaler Beratung, Unterstützung durch örtliche Netzwerke und ergänzender Hilfe. Für Städte und Gemeinden wird daher entscheidend sein, dass die zugesagten Kompensationszahlungen des Bundes nicht nur formal vereinbart, sondern in der Praxis zeitnah, verlässlich und ausreichend bemessen sind.









