EU-Kommission stellt Deutschland für 2026 Entlastung in Aussicht
Die Europäische Kommission hat im Rahmen des ersten jährlichen Asyl- und Migrationszyklus einen umfassenden Bericht zur Migrationslage in der EU vorgelegt und zugleich Vorschläge für einen jährlichen Solidaritätspool präsentiert. Ziel ist es, den neuen Asyl- und Migrationspakt bis Juni 2026 schrittweise umzusetzen und ein besseres Gleichgewicht zwischen Verantwortung der Mitgliedstaaten an den Außengrenzen und Solidarität innerhalb der EU herzustellen. Deutschland kann laut EU-Kommission beantragen, im kommenden Jahr keine zusätzlichen Flüchtlinge aus EU-Ländern aufzunehmen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) hatte gegenüber der Bundesregierung und dem Bundestag mehrfach betont, dass die niedrigen Asylzahlen nicht dazu geeignet seien, weitere Geflüchtete aus anderen EU-Staaten aufzunehmen. Denn die Situation bei der Unterbringung und Integration sei bis heute in vielen Regionen herausfordernd.
In ihrer Migrationsanalyse stuft die Kommission mehrere Mitgliedstaaten als besonders belastet ein. Griechenland und Zypern sowie Spanien und Italien würden wegen hoher Ankunftszahlen und zahlreicher Seenotrettungen als Staaten mit unmittelbarem Anspruch auf Solidaritätsleistungen gelten. Deutschland, Belgien, Frankreich und die Niederlande würden dagegen als Länder mit hohem oder drohendem Migrationsdruck eingeordnet. Hintergrund seien unter anderem die hohe Zahl von Asylanträgen, irregulären Grenzübertritten und Sekundärmigration sowie die weiterhin große Zahl geflüchteter Menschen aus der Ukraine, für die Deutschland Verantwortung übernommen hat.
Auf Grundlage dieser Einstufung könnte Deutschland bei der Festlegung des Solidaritätspools beantragen, bis mindestens Ende 2026 von der Pflicht zur Aufnahme zusätzlicher Schutzsuchender aus anderen EU-Staaten befreit zu werden. Ebenso könnte Deutschland von finanziellen oder sachbezogenen Solidaritätsbeiträgen weitgehend ausgenommen werden. Die Kommission erkenne damit ausdrücklich an, dass Deutschland bereits über Jahre erhebliche solidarische Vorleistungen erbracht habe – auch für Personen, die nach den Zuständigkeitsregeln eigentlich in anderen Mitgliedstaaten hätten verbleiben müssen.
Zugleich unterstreicht die Kommission, dass der neue Asyl- und Migrationspakt nur dann wirksam sein wird, wenn die Mitgliedstaaten an den Außengrenzen die vorgesehenen Grenz-, Asyl- und Rückkehrverfahren konsequent anwenden, Kapazitäten für Registrierung, Unterbringung und Rechtsschutz aufbauen und Rückführungen tatsächlich umsetzen. Die geplanten beschleunigten Verfahren an den Außengrenzen sollen Sekundärmigration reduzieren und dazu beitragen, dass Schutzsuchende nach klaren Kriterien verteilt oder zügig zurückgeführt werden. Nach Angaben der Kommission ist die irreguläre Migration bereits rückläufig, gleichwohl bleibt die Lage angespannt.
Für Deutschland würde die Einstufung als Land unter Migrationsdruck bedeuten, dass die bestehenden Belastungen der Aufnahmesysteme und Kommunen offiziell anerkannt werden. Kurzfristig könnte die Möglichkeit, Solidaritätsverpflichtungen auszusetzen, zusätzlichen Druck durch Umverteilungsmaßnahmen aus anderen EU-Staaten vermeiden. An der hohen Zahl bereits aufgenommener Schutzsuchender sowie den Integrations- und Unterbringungsanforderungen in Ländern und Kommunen ändert dies jedoch nichts.
Anmerkung:
Die Einstufung Deutschlands als Land unter erheblichem Migrationsdruck ist zu begrüßen, weil sie die außergewöhnliche Belastung von Ländern und Kommunen der vergangenen Jahre ausdrücklich anerkennt. Die Möglichkeit, Solidaritätsverpflichtungen vorübergehend auszusetzen, kann helfen, zusätzliche Zuweisungen aus anderen Mitgliedstaaten temporär zu vermeiden. Voraussetzung ist, dass die Mitgliedstaaten dem neuen Solidaritätsmechanismus zustimmen. Ob dies passiert, kann bezweifelt werden, da Länder wie Polen und Ungarn keine eigenen Belastungen akzeptieren wollen. Weiter sei erwähnt, dass die Aussetzung lediglich für ein Jahr gilt. Sie ersetzt zudem nicht die strukturelle Entlastung vor Ort etwa bei Unterbringung, Integration, Kitas, Schulen, Gesundheitsversorgung und soziale Infrastruktur bleiben kommunale Kernaufgaben – unabhängig davon, ob weitere Personen über EU-Umverteilungsmechanismen hinzukommen.
Kritisch zu bewerten bleibt, dass der geplante Solidaritätsmechanismus weiterhin die Gefahr asymmetrischer Lastenverteilung in sich trägt. Staaten, die nur begrenzt Schutzsuchende aufnehmen, können ihre Verpflichtungen teilweise über finanzielle oder sachliche Beiträge erfüllen. Demgegenüber tragen aufnahmebereite Staaten wie Deutschland dauerhaft höhere Integrations- und Infrastrukturkosten. Für die Kommunen ist entscheidend, dass etwaige Entlastungen auf EU-Ebene nicht dazu führen, dass nationale Verantwortung verschoben oder zusätzlicher Druck durch innerstaatliche Verteilentscheidungen aufgebaut wird.
Migration wird ein Dauerthema bleiben. Aus kommunaler Sicht muss die Umsetzung des Asyl- und Migrationspakts daher zwingend mit einer verlässlichen Ausfinanzierung der Folgekosten auf Bundes- und Landesebene verknüpft werden. Dazu gehören insbesondere Investitionen in Wohnraum, Bildung, Betreuung, Integrationsangebote und lokale Verwaltungskapazitäten. Denn die Kommunen gestalten nicht die Außenpolitik und können die Kosten unmöglich aus ihren Haushalten kompensieren. Zugleich braucht es klare Zuständigkeitsregeln, effiziente Rückführungsstrukturen für Menschen ohne Bleibeperspektive und eine bessere Steuerung der Sekundärmigration, um die Aufnahmesysteme dauerhaft stabil zu halten.
Der neue Jahreszyklus der Migrationssteuerung kann einen Beitrag zu mehr Transparenz und Planbarkeit leisten, wenn die Datengrundlagen offengelegt, die Kommunen frühzeitig eingebunden und die Ergebnisse nicht nur zwischen Brüssel und den Hauptstädten, sondern mit der Praxis vor Ort diskutiert werden. Für Städte und Gemeinden ist entscheidend, dass aus der Migrationsanalyse konsequente Schlussfolgerungen gezogen werden: weniger Ad-hoc-Beschlüsse, mehr verlässliche Strukturen und eine echte, auch finanzielle Solidarität, die die kommunale Ebene ausdrücklich einschließt.
Weitere Informationen:
Die vollständige Pressemitteilung der Kommission ist zu finden unter: https://ec.europa.eu/









