Studie „Ladeinfrastruktur nach 2025/2030“
Wie viele Ladepunkte braucht Deutschland 2030? - Dieser Frage geht eine aktuelle Studie der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur nach.
Hintergrund
In der Studie wird erstmals mit wissenschaftlicher Methodik ermittelt, wieviel und vor allen Dingen welche Ladeinfrastruktur bis zum Jahr 2030 aufgebaut werden muss, um den Bedarf zu decken. Basis sind vertrauliche Informationen der großen in Deutschland aktiven Automobilhersteller bezüglich ihres geplanten Fahrzeughochlaufs. Die Studie berücksichtigt neue technische Entwicklungen, wie das Laden mit höheren Leistungen (HPC-Laden), und stellt die Bedürfnisse der Nutzenden ins Zentrum.
Die wichtigsten Ergebnisse
Der Bestand an E-Fahrzeugen kann bis zu den Jahren 2025 bzw. 2030 deutlich stärker ansteigen als heute angenommen – das zeigen vertrauliche Angaben der befragten Automobilhersteller. Bis zu 14,8 Millionen batterieelektrische E-Fahrzeuge und Plug-In-Hybride könnten 2030 in Deutschland zugelassen sein.
Der Bedarf an öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur im Jahr 2030 wird mit 440.000 bis 843.000 Ladepunkten beziffert. Die Zahl ist abhängig davon, wie viel private Ladeinfrastruktur verfügbar und wie stark ausgelastet die öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur ist, aber auch vom Ladeverhalten der Nutzenden: Werden künftig verstärkt Lade-Hubs mit Schnelladepunkten genutzt, ist der Bedarf deutlich geringer.
Die Berechnungen zeigen darüber hinaus, dass das starre Verhältnis von E-Fahrzeugen zu öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur von 10:1 nicht mehr zeitgemäß ist. Die Studie berechnet ein Verhältnis von E-Fahrzeugen zu öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur von 11:1 im Jahr 2021, das auf 20:1 im Jahr 2030 ansteigt. Grund dafür sind die bessere Verfügbarkeit von privater Ladeinfrastruktur und die steigende Ladeleistung von E-Fahrzeugen. Je nach Raumtyp fällt das Verhältnis für 2030 zudem unterschiedlich aus. So hat das Studienteam für den urbanen Raum ein Verhältnis von 14:1 und für den suburbanen und ländlichen Raum von 23:1 ermittelt.
Im Jahr 2030 wird den Berechnungen zufolge an rund 61 Prozent der privaten Stellplätze am Wohnort ein Ladepunkt zur Verfügung stehen. Öffentlich zugängliche Ladepunkte sind zwingend nötig, um die Lücke zu schließen.
Ob bei der Arbeit, beim Einkaufen oder auf der Urlaubsfahrt, jede einzelne Lade-Situation ist wichtig. Doch die größte Rolle wird der Straßenraum spielen. Errechnet wurde ein Bedarf von 420.000 Ladepunkten dort, wo man sein Auto am häufigsten parkt: am Straßenrand oder auf öffentlichen Parkplätzen.
Der Anteil privater Ladevorgänge wird bis 2030 auf 76 bis 88 Prozent prognostiziert, der Anteil öffentlicher Ladevorgänge erreicht demnach 12 bis 24 Prozent.
Methodik und Datengrundlage
Für eine valide Prognose zur E-Mobilität der Zukunft braucht es detaillierte Informationen zum aktuellen Nutzungsverhalten und zum Bestand von E-Fahrzeugen bis zum Jahr 2030. Das Studienteam des Reiner Lemoine Instituts hat intensive Stakeholder-Dialoge mit den relevanten Akteuren und vertrauliche Gespräche mit den in Deutschland aktiven Automobilherstellern geführt. Auf dieser Datengrundlage ermittelten die Forschenden das Mobilitäts- sowie Ladeverhalten der Haushalte und leiteten daraus den Bedarf an Ladeinfrastruktur ab. Weiter gingen Daten zum Mobilitätsverhalten bestimmter Haushaltstypen aus der Studie „Mobilität in Deutschland“ in die Berechnungen ein. „Mobilität in Deutschland“ ist eine bundesweite Befragung von Haushalten zu ihrem alltäglichen Verkehrsverhalten im Auftrag des BMVI.
Ausblick
Der zügige Aufbau einer flächendeckenden und nutzerfreundlichen Ladeinfrastruktur ist ein wesentliches Ziel des Klimaschutzprogramms 2030 der Bundesregierung. Um dieses umzusetzen, wurde vor einem Jahr, am 18.11.2019, der Masterplan Ladeinfrastruktur beschlossen.
Die Ergebnisse und die Methodik der neuen Studie bieten aus Sicht der Studien-Herausgeber eine gute Grundlage, um den Masterplan zu überarbeiten und den gezielten Aufbau von Ladeinfrastruktur wissenschaftlich zu begleiten.
Anmerkung:
Die Studie prognostiziert eine hohe Dynamik bei der Verbreitung alternativer Antriebe. Diese Dynamik ist bereits jetzt erkennbar, denn die Zulassungszahlen für Elektrofahrzeuge steigen derzeit rasant, nicht zuletzt getrieben durch Kaufprämien. Neben dem Laden im öffentlichen Raum wird insbesondere das Laden auf privaten Flächen zunehmend entscheidend für die Verbreitung der Elektromobilität. Hierzu zählen nicht nur Eigenheime sondern auch insbesondere Stellplätze bei Arbeitgebern und Wohngebäuden. Derzeit befindet sich das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) noch immer im parlamentarischen Verfahren. Eine zeitnahe Verabschiedung wäre nun angebracht, um endlich Regelungen zum Vorhalten von Ladeinfrastruktur und Leerrohren insbesondere im Bereich der Arbeitsstätten und Wohngebäuden zu erreichen. Hierbei ist darauf zu achten, dass Regelungen erfüllbar sein müssen. Die vorgesehenen Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen sind richtig.
Bislang sind es vor allem die Kommunen bzw. kommunalen Unternehmen, welche vielerorts in Vorleistung für die Errichtung von Ladeinfrastruktur gegangen sind. Den Kommunen kommt nun aber auch bei der Akquise privater Flächen eine Schlüsselstellung zu. Letztlich braucht es für den Hochlauf der Ladeinfrastruktur ein Engagement aller relevanten Akteure wie Automobilindustrie, Tankstellenbetreiber, Stadtwerke und Zahlungsdienstleister. Diese sollten im Rahmen eines Ladegipfels gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen beraten, wie der Ausbau der Ladeinfrastruktur noch stärker forciert werden kann.
Weitere Informationen
Die Studie kann aus dem Internet heruntergeladen werden unter: www.now-gmbh.de