Gewalthilfegesetz in Kraft getreten
Am 31. Januar 2025 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt (Gewalthilfegesetz) beschlossen. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz am 14.02.2025 zu. Das Gewalthilfegesetz wurde am 24.02.2025 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat damit grundsätzlich am 25.02.2025 in Kraft. Gesonderte Teile des Gesetzes treten gemäß Artikel 6 des Gesetzes am 01.01.2027, frühestens am 01.01.2030 sowie am 01.01.2032 in Kraft.
Inhalt
Hauptelement des Gesetzes ist die Absicherung des Zugangs zu Schutz und Beratung der gewaltbetroffenen Frauen und Kinder. Dies soll über die Einführung eines Rechtsanspruchs in 2032 auf Schutz und Beratung bei Gewaltbetroffenheit gesichert werden. Es besteht dabei kein Anspruch auf Schutz oder Beratung in einer bestimmten Einrichtung. Es ist zulässig, dass eine kontaktierte Einrichtung Unterstützungsgesuche aus kapazitären oder fachlichen Gründen, in Ausübung ihres Hausrechts oder aufgrund besonderer situativer Umstände ablehnt, auch wenn sich aus den Angaben der hilfesuchenden Person oder den Umständen eine anspruchsbegründende Gewaltbetroffenheit ergibt. Die Gewährleistung der Anspruchserfüllung verbleibt in diesen Fällen beim Land. Die hilfesuchende Person wird von der kontaktierten Einrichtung bei der Kontaktaufnahme zu anderen Einrichtungen unterstützt, die zuständige Stelle im Land ist dabei hinzuzuziehen.
Maßgebend für die Gewährleistung der Anspruchserfüllung der Länder ist der tatsächliche Bedarf der gewaltbetroffenen Frauen. Das Gewalthilfegesetz sieht daher vor, dass die Länder bis 2027 eine Ausgangsanalyse und Entwicklungsplanung durchführen, um ein Netz an Schutz- und Beratungsangeboten sicherzustellen, welches den tatsächlich bestehenden Unterstützungsbedarf deckt.
Zum anteiligen Ausgleich der zusätzlichen Aufgaben aus dem Gewalthilfegesetz erhalten die Länder vom Bund zusätzliche Finanzmittel in Höhe von insgesamt 2,6 Milliarden Euro für die Jahre 2027 bis 2036 im Wege der Umsatzsteuerverteilung. Die Vorschriften zur Änderung des Finanzausgleichgesetzes treten frühestens am 01.01.2030, jedoch nicht vor dem Tag in Kraft, an dem das letzte Land erstmals einen Bericht zur Ausgangsanalyse und Entwicklungsplanung übermittelt hat.
Bei der Erfüllung des Anspruchs auf Schutz kann ergänzend auch auf bereits bestehende Instrumente zurückgegriffen werden. Die Täterwegweisung ist ein Instrument aus dem Gefahrenabwehrrecht (Polizeirecht) sowie auf Grundlage eines gerichtlichen Antrags nach dem Gewaltschutzgesetz, das bereits jetzt zum Schutz der Betroffenen zur Verfügung steht. Diese Möglichkeiten bleiben neben dem Gewalthilfegesetz bestehen.
Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene waren in der Bundestagsausschussanhörung vertreten und haben im Vorfeld eine gemeinsame Stellungnahme zum Gesetzesvorhaben abgegeben. Um die Stellungnahme der Städte, Gemeinden und Verbandsgemeinden im Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt einzubeziehen, wurden mittels E-Mail-Rundschreiben vom 16.01.2025 die Möglichkeiten zur Stellungnahme eröffnet.
Einschätzung
Die Zielsetzung, ein bedarfsgerechtes Hilfesystem zu entwickeln, das Prävention, Intervention und Unterstützung gleichermaßen umfasst und bundesweit nach gleichen Parametern ausgerichtet ist, wird begrüßt. Als positiv ist insbesondere zu erachten, dass der Bund davon abgerückt ist, den neuen Rechtsanspruch, wie von vielen Verbänden gefordert, im SGB XII zu regeln und stattdessen den Weg eines eigenständigen Gewalthilfegesetzes geht. Dies ist unter anderem auch auf die Einschätzungen der kommunalen Spitzenverbände zurückzuführen, die sich seit Anbeginn der Diskussion gegen die Verankerung eines möglichen Rechtsanspruchs auf Schutz und Beratung im SGB XII ausgesprochen haben.
Den Ländern kommt die Umsetzungs- und damit auch die Finanzverantwortung für das neue Bundesgesetz zu. Das Gewalthilfegesetz stellt somit eine neue Aufgabe dar, die von den Ländern konnexitätsauslösend übertragen werden muss. Das bedeutet, dass für die Länder, im Falle einer kommunalen Aufgabenübertragung, nach den jeweils landesgesetzlichen Regelungen, eine umfängliche Mehrbelastungsausgleichspflicht besteht. Hierzu fand eine klare Positionierung auf Bundesebene dahingehend statt, dass Bund und Länder die Kostenübernahme garantieren müssen, wenn neue Leistungsansprüche geschaffen werden. Für diese Haltung wird auch der Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt auf Ebene der Länder eintreten.
Das Gesetz wird allerdings der Zielsetzung nicht in vollem Umfang gerecht, denn es ist sehr bürokratisch, personell nicht umsetzbar und verschiebt die Kosten zu Lasten Dritter. Alleine die Statistikpflichten sind überbordend. Das neue Bundesgesetz garantiert zwar einen Schutzanspruch, versäumt es allerdings ein praxistaugliches Gesamtkonzept zu entwickeln, dass diesen Schutzanspruch wirksam werden lässt. Es werden in den Einrichtungen hohe Standards formuliert, welche aus kommunaler Sicht so weit wie möglich zu vermeiden sind. Für die Sicherstellung des Schutzanspruchs sind erhebliche zusätzliche personelle Ressourcen erforderlich, was angesichts des anhaltenden und zunehmenden Personalmangels im gesamten Bereich der sozialen Arbeit nicht zu erfüllen sein wird. Es besteht insofern die Gefahr, dass durch das Gesetz bei Anspruchsberechtigten Erwartungen geschaffen werden, die praktisch nicht umgesetzt werden können.