EU-Kommunalabwasserrichtlinie – Studie des VKU zu Kosten der Viertbehandlung
Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) hatte eine Studie in Auftrag gegeben, um die voraussichtlichen Kosten für den Ausbau und den Betrieb der durch die neue Kommunalabwasserrichtlinie geforderten Viertbehandlung zu ermitteln. Sie steht auf den Internetseiten des VKU zum Download bereit (https://www.vku.de/themen/preise-und-gebuehren/artikel/).
Zum Hintergrund:
Die neue Richtlinie wird für die kommunale Abwasserwirtschaft sehr herausfordernd sein, weil sie zahlreiche neue Vorgaben in neuen Regelungsfeldern beinhaltet. Einen Überblick zum aktuellen Sachstand hatten wir in einem vorherigen Beitrag gegeben. Die Studie hat sich mit folgenden Anforderungen befasst:
- Die überarbeitete EU-Kommunalabwasserrichtlinie wird zu einem Paradigmenwechsel führen und eine starke Herstellerverantwortung mit einem Vollkostenansatz zu verankern. Die Hersteller von Arzneimitteln und Körperpflegeprodukten müssen sich an den Investitions-, Unterhaltungs- und Betriebskosten der Viertbehandlung zu mindestens 80 v. H. beteiligen. Diese Kosten sollten auch für bei Inkrafttreten der Verordnung bereits bestehende Viertbehandlungen übernommen werden („First Mover“).
- Eine Viertbehandlung wird in Abhängigkeit der Anlagengröße (> 150.000 EW) und der Empfindlichkeit des Gebietes (sog. Listengebiete; Anlagen > 10.000 EW) zeitlich gestaffelt bis 2045 umzusetzen sein. Dabei definiert die neue Richtlinie die genauen Anforderungen zur Reduzierung von Spurenstoffen.
Die Vertreter der von der sog. Herstellerverantwortung betroffenen Pharma- und Kosmetikunternehmen sind noch immer im politischen Raum unterwegs, um auf dem „letzten Meter“ noch etwas an ihrer Verpflichtung zu verändern. Dabei argumentieren sie mit Kosten im deutlich zweistelligen Milliardenbereich und dadurch mit einer Vervielfachung bestimmter Medikamentenkosten. Diesen Punkten kann nunmehr mit der aktuellen Studie entgegengetreten werden.
Die Kernergebnisse der Studie lauten kurz zusammengefasst:
- Die Kommunalabwasserrichtlinie sieht den stufenweisen Ausbau von Kläranlagen vor. Bis 2045 müssen alle Anlagen >150.000 EW (156 Anlagen deutschlandweit) und alle Anlagen zwischen 10.000 EW und 150.000 EW in Listengebieten (518 Anlagen deutschlandweit) mit einer Viertbehandlung ausgerüstet werden. Für die Kostenbetrachtung wurde unterstellt, dass 20 Prozent der Kläranlagen zwischen 10.000 und 150.000 EW in Listengebieten liegen. Damit sind in Deutschland insgesamt ca. 647 Anlagen von der Ausbaupflicht adressiert.
- Die stufenweise Ausrüstung der Anlagen ist mit jährlichen Ausgaben verbunden, die bis 2046 kontinuierlich auf 864 Mio. Euro p. a. ansteigen.
Bei dieser Betrachtung werden die Investitionskosten zum Zeitpunkt des Ausbaus der jeweiligen Anlagen in voller Höhe in die Berechnung einbezogen. Die Anlagenbetreiber erhalten mindestens 80 v. H. der Investitionskosten zum Zeitpunkt des Anlagenausbaus über die erweiterte Herstellerverantwortung erstattet. Bis 2045 sind alle (Erst-)Investitionen getätigt. Betriebskosten fallen kontinuierlich an und wachsen im Zeitverlauf durch die zunehmende Anzahl in Betrieb befindlicher Anlagen.
Insgesamt belaufen sich die Kosten für Ausbau und Betrieb nach dieser Betrachtung bis 2046 auf insgesamt 8,7 Mrd. Euro.
- Alternativ lassen sich die Kosten im Zeitverlauf als jährliche Abschreibungen des Anlagevermögens und Betriebskosten betrachten. Mit der zunehmenden Anzahl ausgebauter Anlagen steigen in der Summe die Abschreibungen des Anlagevermögens und die Betriebskosten im Zeitverlauf allmählich an. Die jährlichen Aufwendungen beginnen auf einem niedrigen Niveau und steigen bis 2046 auf eine Höhe von 748 Mio. Euro p. a. Bis 2045 sind alle (Erst-)Investitionen getätigt. Insgesamt belaufen sich die über die Jahre bis 2046 kumulierten Kosten für Abschreibungen und Betrieb auf ca. 6 Mrd. Euro. Der jährliche Mittelbedarf verbleibt über das Jahr 2046 hinaus real auf dem bis dahin erreichten Niveau, da die Abschreibungen über die Nutzungsdauer weiterhin anfallen.
- Unter Berücksichtigung bereits ausgerüsteter Anlagen („First Mover“) fallen die jährlichen Aufwendungen zu Beginn des Umsetzungszeitraumes etwas höher aus. Insgesamt bleiben die Kosten bis 2046 mit einer Höhe von 6,1 Mrd. Euro auf vergleichbarem Niveau.
- Die mit der Umsetzung für die Anlagenbetreiber verbundenen Investitionen, Betriebs- und Finanzierungskosten wurden mit Hilfe eines Finanzmodells unter Betrachtung der relevanten Kostengrößen ermittelt. Ab dem im Jahr 2045 erreichten Zielausbau fallen für die 4. Reinigungsstufe weiterhin die jährlichen Lebenszeitkosten an. Darüber hinaus entstehen voraussichtlich für die ersten Anlagen Reinvestitionskosten.
Diese Ergebnisse der Studie liefern der kommunalen Abwasserwirtschaft einen wichtigen Baustein für die weiteren Verhandlungen zur konkreten Ausgestaltung der erweiterten Herstellerverantwortung auf nationaler Ebene. Richtig umgesetzt wird sie den Geldbeutel der Abwasserentsorgenden nicht spürbar mehr belasten. Für die anstehenden Diskussionen mit der Herstellerseite ist es daher wichtig, dass die mit der Umsetzung der Viertbehandlung entstehenden Kosten in Bezug auf den in der Richtlinie vorgegebenen Rahmen und unter Berücksichtigung der verbleibenden Unbekannten nachvollziehbar prognostizieret werden. Hierfür liefert die Studie eine fundierte Grundlage.