„Kommunen in der Finanzkrise: Status quo und Handlungsoptionen“ - Kommunenstudie 2018 von Ernst & Young
Im November 2018 veröffentlichte Ernst & Young (EY) die Kommunenstudie 2018. Die Studie basiert auf Daten des Statistischen Bundesamtes und einer Befragung von Stadtkämmerern beziehungsweise leitenden Mitarbeitern der Finanzverwaltungen von 300 Kommunen mit mindestens 20.000 Einwohnern (Befragungszeitraum Juli/August 2018). Die mit 240 größte Zahl der befragten Kommunen weist eine Einwohnerzahl zwischen 20.000 und 50.000 auf, was bei 505 Kommunen dieser Größenzahl in Deutschland einer Quote von 48 % entspricht.
In der Summe konnten die Kommunen im Jahr 2017 Schulden abbauen. 81 Prozent der gering verschuldeten Städte und Gemeinden mit einem Schuldenstand von weniger als 1.000 Euro je Einwohner konnten ihren Verschuldungsgrad reduzieren oder stabil halten, bei Kommunen mit mittlerem Schuldenstand (1.000 - 2.000 Euro / Einw.) waren es 68 % und bei Kommunen mit mehr als 2.000 Euro je Einwohner 63 %. Nach der Befragung rechnet fast jede zweite Kommune mit einem Schuldenaufwuchs in den nächsten drei Jahren, 38 % erwarten einen Rückgang. Immerhin gehen nach der Befragung knapp drei Viertel davon aus, dass sie ihre Schulden aus eigener Kraft werden tilgen können. Bei den Kommunen, die derzeit ein Haushaltsdefizit aufweisen, liegt der Anteil allerdings nur bei 57 %. Mit Blick auf Kassenkredite gaben 44 % der befragten Kommunen an, diese zur Finanzierung laufender Ausgaben zu verwenden.
Hinsichtlich der Entwicklung des Haushalts gingen die befragten Kommunen für das Jahr 2018 von einer durchschnittlichen Steigerung der Gesamteinnahmen um 2,2 % aus, dem gegenüber stehen allerdings erwartete höhere Gesamtausgaben von 3,4 %. Die erwarteten Ausgabensteigerungen liegen bei den Ausgaben für Investitionen bei 4,1 %, beim Personal bei 2,8 % und den Sozialausgaben bei 3,4 %. Mit Blick auf die erwarteten Steigerungsraten bei den Investitionen sind diese wenig überraschend im Bereich Bildungsinfrastruktur (Kitas, Schulen etc.) am höchsten (2018 5,6 % und 2019 5,0 %).
Für das Haushaltsjahr 2018 rechnen 29 % (2017: 24 %) der befragten Kommunen mit einem Defizit, während 54 % (2017: 67 %) einen Haushaltsüberschuss erwarten. Der Anteil der Kommunen mit einem Überschuss ist also rückläufig. Dies gilt nach den veröffentlichten Zahlen von EY insbesondere für Kommunen in Schleswig-Holstein (von 88 % in 2017 auf 63 % in 2018), Rheinland-Pfalz (50 % auf 25 %) und dem Saarland (25 % auf 0 %). In Baden-Württemberg (76 %), Bayern (76 %) und Hessen (68 %) ist der für 2018 prognostizierte Anteil an Kommunen mit einem Überschuss am höchsten. Die Kommunen aus dem Saarland (88 %) und Rheinland-Pfalz (58 %) gaben in der EY-Befragung mehrheitlich an, ein Haushaltsdefizit zu erwarten. 38 % der befragten Kommunen sehen für den Zeitraum 2018 bis 2020 die Notwendigkeit zur Aufstellung von Haushaltssicherungs- und Haushaltssanierungskonzepten (Vergleich 2015 – 2017: 39 %).
Wie in den vergangenen Jahren wurde nach geplanten Steuer- oder Abgabenerhöhungen gefragt, mit einer Erhöhung in 2018 rechnen demnach 56 % der befragten Kommunen. Eine Reduzierung des kommunalen Leistungsangebots sehen 8 % der befragten Gemeinden vor. 18 % der befragten Kommunen gaben an, für die Jahre 2018 oder 2019 eine Erhöhung der Friedhofsgebühren zu planen (15 % Kitas/Ganztagsschulen, 12 % Eintrittspreise). Bei der Grundsteuer rechnen 18 % mit einer Erhöhung, bei der Gewerbesteuer sind es 10 %. Insgesamt betrachtet ist der Anteil der Gemeinden, die planen ihre Leistungen zu reduzieren und/oder ihre Steuern- oder Abgaben zu erhöhen, stark rückläufig.
Zu der EY-Kommunalstudie 2018 führte das Korrespondentenbüro Herholz ein Interview mit DStGB-Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg, welches wir nachfolgend wiedergeben.
Herholz: Die Kommunen haben bundesweit 2017 einen Rekordüberschuss erzielt. Hat sich die Finanzlage der Städte und Gemeinden damit grundlegend gebessert und wie gut geht es ihnen inzwischen?
Landsberg: Die Zahlen zu den Kommunalfinanzen entwickeln sich positiv und das begrüßen wir ausdrücklich, auch wenn die aktuelle Steuerschätzung bereits zeigt, dass sich die Steuerzuwächse deutlich verlangsamen. Die positive Entwicklung der kommunalen Finanzlage hat mehrere Gründe: vor allem die gute Konjunktur, die Unterstützungen durch Bund und Länder, die Niedrigzinsphase und nicht zuletzt die Konsolidierungspolitik der Kommunen selbst. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es vielen Städten und Gemeinden nach wir vor finanziell sehr schlecht geht. In der EY Studie selbst wir gezeigt, dass die Probleme in diesen Kommunen weiter zunehmen und vielen kein Schuldenabbau gelingt. Zudem hat die langjährige Konsolidierungspolitik in vielen Städten und Gemeinden auch ihren Preis. Viele Kommunen waren gezwungen, Personal abzubauen und es ist ein enormer kommunaler Investitionsrückstand von weit über 150 Milliarden Euro entstanden. Das Bild ist also sehr unterschiedlich.
Herholz: Über die starken regionalen Unterschiede diskutiert die Republik seit vielen Jahren. Warum ist das Problem bis heute ungelöst beziehungsweise was müsste aus Ihrer Sicht passieren?
Landsberg: Die Rahmenbedingungen, vor allem die wirtschaftlichen, sind nach wie vor regional sehr unterschiedlich. So liegt die Pro-Kopf-Verschuldung bezogen auf kommunale Kassenkredite im Saarland bei 2027 Euro, in Rheinland-Pfalz bei 1.396 Euro und in Nordrhein-Westfalen bei 1.370 Euro. Demgegenüber sind die Kommunen in Bayern nur mit 14 Euro Pro-Kopf verschuldet, in Baden-Württemberg nur mit 13 Euro. Damit ist jedenfalls zu einem Teil zu erklären, warum in vielen Kommunen die Probleme nicht kleiner werden. Gerade dort muss die gemeindliche Steuerkraft gestärkt werden. Die Grundsteuer muss dringend reformiert und gesichert werden. Und die kommunalen Haushalte müssen weiter von Sozialausgaben entlastet werden, die vielerorts der entscheidende Kostenfaktor sind und den städtischen Haushalt schlicht überfordern. Für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse überall im Land muss permanent mehr getan werden. Das gilt zum Beispiel auch für die Telekommunikations- und Breitbandversorgung. In Berlin sind gerade die Arbeiten der Regierungskommission Gleichwertige Lebensverhältnisse angelaufen, von dieser sind dafür wegweisende Vorschläge zu erwarten.
Herholz: Viele Kommunen in strukturschwachen Regionen wie dem Ruhrgebiet oder Mecklenburg leiden mitten im Aufschwung unter sehr hohen Schulden. Helfen jetzt nur noch drastische Mittel, etwa eine Schuldenübernahme für die Problemkommunen durch Bund und Länder?
Landsberg: Die Länder sollten gemeinsam mit dem Bund die historische Niedrigzinsphase zu nutzen, um endlich eine Lösung bei den kommunalen Altschulden herbeizuführen. Nur so kann den höchstverschuldeten Kommunen wieder eine Zukunftsperspektive aufgezeigt werden. Neben notwendigen Eigenbeiträgen der Kommunen müssen die Länder gemeinsam mit dem Bund die kommunalen Altschulden ablösen. Dabei muss zu Gunsten der verschuldeten Kommunen bei den Kassenkrediten geklärt werden, ob und wie über eine Steuerung des Zinsrisikos hinaus auch die Tilgung der Schulden realisiert werden kann. Um in Zukunft eine solche Verschuldung zu verhindern, ist eine dauerhaft aufgabengerechte Finanzausstattung der Städte und Gemeinden unabdingbar.