Ländliche Räume gezielt fördern
Eine aktuelle Studie bescheinigt ländlichen Räumen ein großes Potenzial und zeigt, wie der wirtschaftliche Aufholprozess gestaltet werden muss, damit ländliche Räume erfolgreich sind. Die Studie ist zu begrüßen, weil sie die richtigen Schlüsse zieht: Im Interesse gleichwertiger Lebensverhältnisse darf Förderpolitik nicht allein auf Großstädte konzentriert werden wie es zuletzt die Forscher des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung aus Halle (IWH) gefordert hatten.
Wesentliche Ergebnisse der Studie
Die Analyse des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) stimmt vom Ausgangspunkt mit der umstrittenen Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung aus Halle überein, dass die Städte bisher den Unterschied für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung machen. Das DIW zieht daraus aber nicht den Schluss, die Förderung künftig auf die Städte zu konzentrieren, sondern fordert, den Aufholprozess in ländlichen Regionen gezielt zu unterstützen.
Im Einzelnen wird aufgezeigt, dass vor allem Ostdeutschland wirtschaftlich zurückliegt, weil es dort weniger urbane Boom-Regionen wie Hamburg, München oder Stuttgart gibt. Vielmehr ist der Osten stärker ländlich geprägt. Allerdings geht aus der Studie auch hervor, dass Ostdeutschland aufholt. Die Effizienzunterschiede verringern sich. Dies zeigt beispielsweise die Entwicklung in Regionen wie Nordthüringen, Oberlausitz-Niederschlesien oder Prignitz-Oberhavel. Von den zehn Gegenden in der Bundesrepublik, in denen seit der Jahrtausendwende die Arbeitsproduktivität am stärksten zunahm, liegen neun im Osten. Jedoch ist der Aufholprozess durch die Finanzkrise abgebremst worden. Im Übrigen zeigt die Studie, dass das generelle Effizienzniveau in großstädtischen wie ländlichen Regionen Ostdeutschlands nur wenig unter dem der entsprechenden westdeutscher Räume liegt.
In der Analyse der Erfolgsfaktoren städtischer Boomregionen zeigen die Forscher, dass diese besonders durch eine hohe Kapitalausstattung und mehr Investitionen im Bereich der Forschung auffallen. Daraus wird abgeleitet, dass sich die Förderung ländlicher Räume auf Erfolgsfaktoren konzentrieren muss, in denen die ländlichen Räume derzeit noch den Städten hinterherhinken. Dies sind die Bereiche Infrastruktur, Digitalisierung sowie Forschung und Entwicklung. So müssen nach dem DIW beispielsweise Fachhochschulen verstärkt in ländlichen Regionen entstehen, weil es in ihrem Umfeld ein großes Potenzial für junge Arbeitskräfte und zukunftsfähige Jobs gibt. Daneben sollten die im Bereich der Unternehmen die Abschreibungen erhöht werden.
Anmerkung:
Der Ansatz des DIW ist richtig, den wirtschaftlichen Erfolg auf die ganze Republik zu verteilen, damit die Schere zwischen Stadt und Land nicht weiter auseinandergeht.
Die Studie widerlegt mit guten Analysen und Argumenten, warum es falsch ist, im Rahmen der künftigen Förderpolitik den Fokus allein auf die Städte zu legen. Damit wird nicht nur die Lebenswirklichkeit der Menschen außer Acht gelassen, die - wie Umfragen zeigen - gerne in ländlichen Räumen leben wollen, sondern auch das erhebliche wirtschaftliche Potenzial, das ländliche Räume haben, unterschätzt.
Die Politik muss aus der Studie die richtigen Schlüsse ziehen. Dazu gehört, sich nicht auf einzelne Hotspots zu konzentrieren, sondern durch eine kluge, nachhaltige Standortpolitik in der Stadt und auf dem Land die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Zu nennen sind eine zukunftsfähige Breitbandversorgung, eine bessere Bahnanbindung der Regionen sowie Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr. Eine weitsichtige Politik muss zudem im Blick haben, dass der Druck auf die Metropolregionen und damit auf die Miet- und Immobilienmärkte sowie die Verkehrswege tendenziell zunehmen wird. Den ländlichen Räumen kommt hierbei eine wichtige Ergänzungs- und Entlastungsfunktion zu.
In diesem Sinn setzt sich der Deutsche Städte- und Gemeindebund im Rahmen der Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse für die Schaffung eines gesamtdeutschen Fördersystems ein, das durch eine gezielte Förderung von Forschung, Entwicklung und (digitaler) Infrastruktur einen erfolgreichen Aufholprozess gestaltet.
Fundstelle
Die Ergebnisse sind der Studie „Produktivitätsentwicklung in Deutschland: Regionale und sektorale Heterogenität“ zu entnehmen, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für die Bertelsmann Stiftung erstellt hat. Die Studie ist im Internet unter folgendem Link abrufbar: www.bertelsmann-stiftung.de (Rubrik: Publikationen)