Erste Klagen gegen Einschränkungen bei Bezahlkarten erfolgreich
Aktuell findet das Vergabeverfahren zur bundesweiten Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete statt. Die Sozialgerichte in Hamburg und Nürnberg haben bereits in zwei Einzelfällen klargestellt, dass die jeweiligen Sozialbehörden die Einschränkungen in Ausnahmen durch zwingende Ermessensausübungen auch gegebenenfalls teilweise aufheben müssen. Dies hat nach den persönlichen Lebensverhältnissen der Antragstellenden zu erfolgen. Zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Einführung der Bezahlkarte haben die Gerichte keine Aussagen getroffen. Für die Kommunen ändern diese Entscheidungen daher zunächst nichts, da es sich um Einzelfallentscheidungen in Eilverfahren in erster Instanz handelt.
Das Eilverfahren (Beschluss vom 18.07.2024 – S 7 AY 410/24 ER, nicht rechtskräftig) beim Sozialgericht Hamburg hat sich gegen die Höhe des Bargelds gerichtet, die eine schwangere Asylbewerberin mit einem zweijährigen Kleinkind durch die Sozialbehörde eingeräumt bekommen hat. Ziel des Verfahrens war es, den Betrag von 110 Euro Bargeld zu erhöhen oder Einmalzahlung für den Mehrbedarf zu erhalten. Das Sozialgericht hat in diesem Fall einen Bargeldbedarf in Höhe von 270 Euro für angemessen anerkannt.
Mit dem Antrag im Eilverfahren beim Sozialgericht Nürnberg (Entscheidung vom 01.08.2024 – S 11 AY 15/24 ER; S 11 AY 18/24 ER, nicht rechtskräftig) forderten zwei Geflüchtete die Sozialbehörde auf, die Asylleistungen als Überweisung auf die jeweiligen Girokonten zu erbringen und nicht über die Bezahlkarte. Das Sozialgericht hat den Antragsstellenden recht gegeben. In Bayern können Geflüchtete mit der Bezahlkarte regional in Geschäften einkaufen und bis zu 50 Euro Bargeld abheben. Online-Käufe sind technisch ausgeschlossen. Die Geflüchteten argumentieren, dass mit der Bezahlkarte das günstige Einkaufen im Internet oder in Nachbarorten ausgeschlossen sei. Auch sei der Eintritt in Vereine unmöglich, da die Überweisung von der Bezahlkarte an Vereine nicht möglich sein würde. Das Sozialgericht folgte dieser Argumentation und betonte, dass die Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenslagen der Klägerinnen durch die Ausübung von Ermessen zwingend berücksichtigt werden müsse.
Die Bezahlkarte war vom Bundestag und Bundesrat Ende April 2024 gebilligt worden. Ziel ist es, den Missbrauch von Asylleistungen zu verhindern und dadurch Anreize zur Flucht nach Deutschland verringern. Zudem soll der Verwaltungsaufwand bei den Sozialbehörden reduziert werden. Mecklenburg-Vorpommern und Bayern haben sich anders als die restlichen 14 Bundesländer bei der Vergabe für einen eigenen Weg entschieden. Die Einführung soll im 3. oder 4. Quartal erfolgen.
Anmerkung:
Das Sozialgericht Hamburg hat in der o. g. Entscheidung betont, dass nach seiner Ansicht die Bezahlkarte grundsätzlich mit der Menschenwürde vereinbar ist. Ähnlich hatte sich bereits das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit geäußert, das betont hatte, dass es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers sei, festzulegen, ob diese Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz als Geld- oder Sachleistungen erbracht werden. Diese Rechtsauffassung erlaubt insofern die Prognose, dass die grundsätzliche bundesweite Einführung der Bezahlkarte nicht gefährdet ist. Allerdings zeichnet sich ab, dass die Sozialbehörden künftig mit einer Flut von Anträgen von Geflüchteten rechnen müssen, die ebenfalls ihre jeweiligen persönlichen Lebensbedingungen nicht ausreichend gewürdigt sehen und eine individuelle Lösung anstreben. Sollte es so weit kommen, dürfte ein Ziel der Bezahlkarte – den Verwaltungsaufwand zu verringern – verfehlt werden. Denn aufgrund der zwingenden Ermessensausübung wird eine zeitlich umfangreiche Abwägung erforderlich sein. Es müssen daher die Antragsvoraussetzungen geschärft werden, die es der Behörde zeitnah erlauben, zu erkennen, warum die persönlichen Lebensumstände des Geflüchteten ein Abweichen von den allgemeingültigen Standards der Bezahlkarte erforderlich machen könnten.